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Loyale Kunden? Ein Mythos, der Euer Geschäft bremsen kann.

Fachartikel — 23. Januar 2024

Christian Rechmann

Geschäftsführung | Strategie

“Der Kunde steht im Mittelpunkt” ist eine im Marketing sehr schnell konsensfähige These. Wer wollte auch widersprechen, wenn es darum ginge, eine möglichst hohe Kundenloyalität aufzubauen. Die Konzentration auf Kundenloyalität ist jedoch oft weniger erfolgreich, als die Konzentration auf Neukundengewinnung. Warum ist das so?

📢 Loyale Kunden erhält man über ein gutes Produkt,
neue Kunden gewinnt man über erfolgreiches Marketing.

Marketing-Verantwortliche überschätzen in der Regel, wie selten Kunden ihr Produkt kaufen und wie wenig sie sich dafür interessieren. Das liegt u.a. daran, dass bereits der Begriff “Loyalität” irreführend ist. Wir messen Frequenz und nennen diese “Loyalty”. Das ist Unsinn.

Dazu zwei Beispiele:

✔️Ich war viele Jahre im Loyalty-Programm der Lufthansa …
❌ nicht weil ich gerne fliege, sondern weil ich Kunden in Hamburg und Düsseldorf hatte und dort regelmäßig sein musste.

✔️Ich war im Loyalty-Programm von MediaMarkt, …
❌ nicht weil ich damals großer MediaMarkt Fan war, sondern weil ich nach einem Umzug kurzfristig Waschmaschine, Trockner, Spülmaschine, Kühlschrank und etliche Glühbirnen brauchte.

Aber auch das beste Loyalty-Programm wird mich nicht dazu bringen, weiter nach Düsseldorf zu fliegen, wenn die Abstimmungen nun digital erfolgen oder Haushaltsgeräte nachzukaufen, bevor es der Ersatzbedarf wieder nötig macht.

Eine Konzentration im Marketing auf mich, den damaligen “Super-Kunden” wäre demnach völlig falsch, während man gleichzeitig an den potentiell neuen Top-Kunden, der jetzt gerade sein neues Haus bezieht oder eine Beziehung in Hamburg beginnt, vorbei kommuniziert.

Es ist also sinnvoller, sich um Gelegenheitskunden und Neukunden zu bemühen. Einerseits weil es davon deutlich mehr gibt und andererseits, weil sie sich weniger für die Marke interessieren als echte Fans, so dass dem Marketing eine größere Bedeutung zukommt.

Das spricht natürlich nicht gegen die Messung von Kundenzufriedenheit und die Nutzung von Bonus-Programmen: So sollte beispielsweise für regelmäßige Dienstleistungen oder Abos die Kundenzufriedenheit immer im Mittelpunkt des Handelns stehen und im Handel auf Basis der Verkaufs-Daten konkrete Angebote zu unterbreiten, Reaktionen zu incentivieren und neue Kaufimpulse zu setzen ist ebenfalls eine richtige Strategie. Nur sollte man dabei die Neukunden oder die Gelegenheitskäufer:innen nicht aus dem Auge verlieren.

Die wissenschaftliche Erklärung hierzu liefert das “Streben zur Mitte”*. Es besagt, dass alle statistischen Extreme sich nach und nach zur Mitte hin bewegen. Wenn wir also zeitweilig besonders gute Kunden sind, dann ist es recht wahrscheinlich, dass wir in einem nächsten Quartal eher unterdurchschnittlich viel kaufen werden. Statt dessen findet sich irgendwo ein Gelegenheitskunde, der in gleichzeitig zum neuen Top-Kunden aufsteigt.

*Gut nachzulesen z.B. in “how brands grow (I.)”, von Byron Sharp.