For Sale

Endlich Frei!

Fachartikel — 1. März 2020

Christian Rechmann

Geschäftsführung | Strategie

Das Gelände der ehemaligen Luitpoldkaserne liegt am Fuß des Olympiaberges, etwas undefiniert zwischen Neuhausen, Schwabing-West und der Innenstadt. Die Gebäude wurden ab 1896 erbaut und dienten ursprünglich als Unterkunftsliegenschaft für die Luftschiffabteilung der Bayerischen Armee; nach 1950 nutze die US Army den Standort, später wurde die „Sanitätsschule der Bundeswehr“ daraus. Seit Mitte 2000 hat die Kreativszene das Gelände besetzt – eine interdisziplinäre Nachbarschaft, die das lockere, kreative Zusammenspiel pflegt; immer mit Blick auf die hektargroßen Freiflächen, auf denen sich jahrelang tatsächlich Fuchs und Hase gute Nacht gesagt haben.

Das über 20 Hektar große Gelände zwischen Dachauer-, Loth-, Schwere-Reiter-, Heß- und Infanteriestraße bietet ideale Voraussetzungen für ein zentrumnahes Stadtquartier. Geplant ist eine gemischte Nutzung aus Wohnen, Arbeiten, Kunst, Kultur und Wissenschaft unter dem Namen „Kreativquartier München“. Die baulichen Arbeiten haben mit der neuen Grundschule an der Infanteriestraße bereits 2019 begonnen und nun wird die Verwirrung um die Gelände-Hausnummern der Infanteriestraße 19 aufgelöst. Wir bekommen eine eigene Straße und passend zu Heß und Günter-Behnisch werden auf dem Gelände große deutsche Architekten mit Straßennamen geehrt.

For Sale wird zukünftig an der Frei-Otto-Straße die Hausnummern 4 und 6 belegen.

Und wir freuen uns darüber! Denn mit Frei Otto verbindet uns einiges …

Frei Otto zählt zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts und gilt vor allem als Wegbereiter der Leichtbauweise. Lange bevor das Thema Nachhaltigkeit überhaupt einen Namen hatte, dachte er bereits über ökologisches Bauen nach. Auf sein bekanntestes Werk, das Olympiadach für die Sportanlagen zu den Olympischen Spielen 1972, blicken wir jeden Tag. Das Dach entstand zusammen mit Günter Behnisch, der für die Olympiabauten gesamthaft verantwortlich zeichnete, aber auch – und das ist weniger bekannt – in einer engen Zusammenarbeit mit Peter Stromeyer, der mit Stromeyer Zelte (Konstanz) die nötige Expertise für frei verspannte Zeltdächer mitbrachte. Die beiden Männer verbrachten einen Sommer am Bodensee und planten sich spielerisch an das „Weltwunder“ (so Frei Otto in seiner Rede zur Einweihung des Dachs) heran.

Und hier liegt auch die Parallele zu unserer täglichen Arbeit. Auch wenn wir nicht für uns in Anspruch nehmen, Weltwunder zu erschaffen, geht es bei For Sale ebenso täglich darum, eine gute Idee so lange zu verbessern, bis sie machbar wird, es geht darum, diese zu visualisieren und zu präsentieren, lange bevor man sie anfassen kann und es geht darum, Zeichen, Symbole und Orientierungshilfen zu schaffen, so wie Frei Otto „sein“ Olympiadach auch gerne gesehen hat:

Das Olympiadach verlangt für seine Bewertung einen neuen Maßstab. Es ist kein gewöhnliches Dach. Es ist gar kein richtiges Dach. Einzelne Teile schützen nicht mal vor Regen. Es ist ein Zeichen. Es ist Symbol. Es ist Orientierungshilfe.

Frei Otto

in seiner Rede zur Eröffnung des Olympiadaches, 1972

Damit ist die Abkehr von der Infanteriestraße für uns mehr als ein praktischer Schritt hin zu vereinfachter Postzustellung. Es ist das Signal, das neue Stadtquartier nicht mehr als „ehemaliges Kasernengelände“ zu begreifen, sondern als Chance für eine nachhaltige Stadtentwicklung, mit Erhalt der Bestandsgebäude, mit geschickter Verflechtung aus Wohnen und Arbeiten und mit Straßen, die dem angrenzenden Olympiagelände und seinen Architekten Ehre erweisen.

Frei Otto, Architekt und Visionär (1925 – 2015)
Frei Otto, Architekt und Visionär (1925 – 2015)

Bildnachweis: Wikipedia, CC BY-SA 2.0, Unsplash, Frank Dinger, Stefan Filtgen